Förderverein Streuobstwiesen
 an Murg und Oos e.V.

Stammtisch Januar 2023

Vielen Dank an Herrn Fleckenstein, der uns das Projekt mit vielen Zahlen und Schaubildern klar und verständlich dargestellt hat. Wir sind gespannt, wie sich dieses weiter entwickeln wird und zu welchen Ergebnisssen es führen wird. Herr Fleckenstein wird uns in einem guten Jahr wieder besuchen um die Ergebnisse des Projekts vorzustellen und möchte bis dahin auch bei dem ein- oder anderen unserer Stammtische als Zuhörer teilnehmen.

 

Ausgehend vom Vortrag von Herrn Fleckenstein machen wir uns grundsätzliche Gedanken zur Bewirtschaftung von Streuobstwiesen im Klimawandel und überlegen, welche Rolle wir dabei in den nächsten Jahren als Streuobstwiesenverein spielen könnten: 

Streuobstwiesen im Klimawandel erhalten -                                   Patentrezepte oder ein Puzzle aus vielen Teilen?

In Zeiten des Klimawandels stehen wir auf unseren Streuobstwiesen vor Herausforderungen, die weit über die "normale" Pflege und Bewirtschaftung vor dem Klimawandel  hinausgehen. 

Seit 2003 kennen wir "Hitzesommer": diese gab es erst alle 10 Jahre, im Moment alle 2,8 Jahre, etwa 2050 werden wir wohl in 10 Jahren etwa 9 "Hitzesommer" haben! Wobei auf unseren Streuobstwiesen die Hitze nur das eine ist - die damit oft verbundene Trockenheit bzw. Dürre macht  unseren Obstbäumen viel schwerer zu schaffen: Bäume geraten in solchen Sommern leicht in den so genannten "Trockenstress",  weder die Versorgung mit Wasser noch mit dringend benötigten Nährstoffen gelingt dann noch in ausreichendem Maß. 

Viele Bäume werden geschwächt und anfälliger für Krankheiten und Schädlinge. Den Befall mit dem "Schwarzen Rindenbrand" kennen wir seit dem "Hitzesommer" 2003 - mittlerweile sind ein großer Teil der Apfelbäume in Baden-Württemberg betroffen. In acht bereits untersuchten Teilgebieten des Landes liegt der Befall im Schnitt bei 50%. Wie viele dieser Bäume werden zu retten sein? 

Wissenschaftliche Projekte bzw. die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen, so wie sie uns von Herrn Fleckenstein oder im Mai 2022 von Frau Zugschwerdt zum Thema Diplodia vorgestellt haben (beide Untersuchungen laufen noch, genaue Ergebnisse sind 2023 und 2024 zu erwarten), sind für uns wichtige Bausteine auf dem Weg  zu einem Streuobstanbau, der unter den veränderten, erschwerten klimatischen Bedingungen sinnvoll erscheint. 

In dieser Situation kommt Herr Fleckenstein zu uns nach Gaggenau um über Untersuchungen und erste Hinweise aus dem Projekt "Streuobstwiesen im Klimawandel" zu referieren. Herr Kraft schreibt als Redakteur von den BNN darüber einen gut recherchierten Artikel, der am selben Morgen veröffentlicht wird. Das Interesse an diesem Thema ist groß: statt den etwa 20 erwarteten Zuhörern folgten dicht gedrängt über 50 im Streuobstanbau engagierte Kolleginnen und Kollegen, was Herr Fleckenstein aus dem Projekt zu berichten hatte. 

 

Einflussfaktoren auf den Streuobstanbau im Klimawandel: was kann man wissenschaftlich untersuchen, wo sind Erfahrungen von Bewirtschaftern gefragt?

Wir können im Hinblick auf die Bewirtschaftung von Streuobstwiesen im Klimawandel zehn verschiedene wichtige Einflussfaktoren unterscheiden: 

  1. Gelände bzw. Standort: Höhe, Hangneigung,  Exposition (z.B. Osthang = Hang mit viel Morgensonne;  Westhang = Hang mit viel Abendsonne, der in unseren Breiten am meisten den Witterungseinflüssen ausgesetzt ist)
  2. Sorten und Arten
  3. Unterlagen
  4. Böden: Bodenart, Humusgehalt, der pH-Wert und die Gehalte an Nährstoffen, Bewuchs mit bestimmten Pflanzenarten , Zeigerarten, Wasserhaltevermögen, Bodenleben
  5. Nährstoffversorgung 
  6. Wurzeln: Möglichkeiten der Förderung des Größen- und Tiefenwachstums, Einflüsse von Verdichtung, Einflüsse von Stickstoffdüngung, ...
  7. Wasserversorgung in Abhängigkeit vom Alter der Bäume,  Häufigkeit und Menge der Wasserzufuhr, Vorgehensweisen bei der Wasserzufuhr, technische Hilfsmittel,  zugeführte Wassermengen in Abhängigkeit von bestimmten Zeitabständen in Dürreperioden, Wasserbedarf in Abhängigkeit von der Unterlagen und Sorten, ...
  8. Baumschnitt 
  9. Baumkrankheiten: Schwarzer Rindenbrand, ...
  10. Nützlinge und Schädlinge: Wühlmäuse, ...

Richtig spannend wurde es bei der dem Vortrag von Herrn Fleckenstein nachfolgenden Diskussion, bei der uns Möglichkeiten und Grenzen von wissenschaftlichen Untersuchungen verschiedener oben genannter Einflussgrößen bewusst wurden:

  1. Wissenschaft ist wichtig, um belegbare Erkenntnisse über bestimmte Zusammenhänge zu identifizieren und auf neue Entwicklungen angepasst reagieren zu können. Wissenschaft kann uns da unterstützen, wo wir mit wissenschaftlichen Methoden belastbare Aussagen treffen können. (Standortwahl, ev. Sorten, ...) Kommt man z.B. mit den Auswertungen der Klimadaten für 2050 und 2100 zu der Erkenntnis, dass man auf bestimmten Lagen künftig ohne Bewässerung in Trockenphasen nicht auskommt, ermöglicht das bereits jetzt langfristig zu planen.                                                           m
  2. Zu verschiedenen zentralen Einflussfaktoren, die sehr wichtig im Streuobstanbau im Klimawandel sind, werden wir jedoch nicht oder nicht so schnell Antworten aus der Wissenschaft erhalten. Wir denken dabei an Einflussgrößen wie Unterlagen, Fragen der Wasserversorgung oder verschiedene Möglichkeiten Einfluss auf das Wurzelwachstum zu nehmen. Dazu wären Untersuchungen über länger Zeiträume wichtig. Aber dies alles sind aber Bereiche, die zentral für das Überleben der Streuobstbäume sind, daher bräuchten wir genau zu diesen Einflussgrößen möglichst schnell Informationen. Wie bekommen wir diese, wenn nicht aus wissenschaftlichen Untersuchungen?  Was wir bereits haben, sind  Erfahrungswerte und Beobachtungen  von Bewirtschaftern auf ihren Streuobstwiesen. 

Uns wurde zunehmend klar, welchen Part wir als Streuobstwiesenverein beim Erhalt der Streuobstwiesen in der Zukunft spielen könnten. Als Frage formuliert: Welche Möglichkeiten haben wir als Verein, zu einem möglichst professionellen Umgang mit dem Klimawandel auf unseren Streuobstwiesen beizutragen? 

 

Streuobstwiesen im Klimawandel professionell bewirtschaften

Unter "professionell" verstehen wir als Streuobstwiesenverein in diesem Zusammenhang: 

  1. Wir Bewirtschafter sammeln alle bereits erste Erfahrungen beim Streuobstanbau im Klimawandel. Wir sollten voneinander lernen. Daher sollten Erfahrungswerte von Streuobstwiesenbesitzern zusammengetragen werden und anderen Streuobstwiesenbesitzern zugänglich gemacht werden.  Um dies zu erreichen,  schaffen wir bei unseren regelmäßig stattfindenden Stammtischen Möglichkeiten des fachlichen Austauschs über Erfahrungswerte und Beobachtungen der letzten Jahre auf Streuobstwiesen,  auch den wertvollen Austausch mit den Mitgliedern des Pomologenvereins. Wir versuchen dies auf unserer Internetseite zu dokumentieren und zu erweitern.                                                                                              m
  2. Es gibt bereits erste Hinweise aus laufenden wissenschaftlichen Untersuchungen zum Streuobstanbau im Klimawandel. Wissenschaftliche Erkenntnisse in Form von Vorträgen und mit Beiträgen auf unserer Internetseite machen wir unseren Mitgliedern immer wieder zugänglich.                                                                                                                                                                       m 
  3. Wir machen als Verein den Streuobstanbau durch die Aufpreisvermarktung finanziell etwas attraktiver.

Unter "professionell" könnten wir im weiteren Sinne aber auch verstehen: 

  1. Wissenschaftliche Projekte laufen in der Regel drei Jahre und haben nur begrenzte Mittel in dieser Zeit zur Verfügung. Die Hürden, die sich Projekten stellen, sind zum Teil die der Finanzierung. Daher müssen sich wissenschaftliche Untersuchungen auch auf bestimmte Kernbereiche fokussieren, die dann auch in der gegebenen Zeit wie geplant beforscht werden können. Welches könnten - etwa nach dem Vortrag von Herrn Fleckenstein - weitere Kernbereiche sein, die uns beim Streuobstanbau im Klimawandel helfen könnten? Wir können als Verein gemeinsam formulieren, welche weiteren Ergebnisse von Untersuchungen wir aus unserer Sicht brauchen, um die Chance zu haben, Streuobstwiesen als wesentlichen Teil unserer Kulturlandschaft auch mittel- und langfristig sichern zu können. Damit müssten wir uns dann an die Politik wenden, damit dafür ev. Gelder für Forschung bereitgestellt werden können.                              m
  2.  Wir können Informationen von Streuobstwiesenbesitzern, aber auch aus wissenschaftlichen Untersuchungen in Deutschland und Österreich zum Streuobstanbau im Klimawandel sammeln und diese unseren Mitgliedern bzw. anderen Interessierten ev. im Internet zugänglich machen. 

 

Das Feld ist abgesteckt - wir werden sehen, was sich in der nächsten Zeit in unserem Verein in dieser Richtung machen lässt. Die Herausforderungen im Streuobstanbau sind zweifelsohne groß - es geht wahrscheinlich ums Ganze,  d.h. um nichts weniger, als das Überleben des Streuobstanbaus in unserer Region, und das bereits in den nächsten 10 oder 20 Jahren. 

Wie oben beschrieben, gibt es viele Einflussfaktoren auf den Streuobstanbau im Klimawandel. So wird es wohl kein   Patentrezept zum Erhalt unserer Streuobstwiesen geben und wir werden wahrscheinlich auch weitere Streuobstflächen verlieren. 

Rezepte von gestern können heute falsch sein. Wo bis vor einigen Jahren eine Fuhre Mist oder Kompost immer gepasst und  zu einem guten Ertrag geführt haben, wird sich der Bewirtschafter von morgen vielleicht wundern, warum seine so gedüngten Bäume Dürreperioden schlechter überstehen oder vom Schwarzen Rindenbrand eher befallen werden, als die seines Nachbarn. 

In einer Zeit, in der Ökosysteme wie der Wald, Flüsse und Seen bereits durch den Regen (Thema Stickstoffüberschuss in der Natur) "gedüngt" werden, aus Wäldern Moos und Farne, die magere Böden lieben,  langsam verschwinden und zunehmend wilde Brombeeren und Brennnesseln wachsen,  in einer Zeit, wo Waldbäume auf gut gedüngten Böden zwar prima wachsen, aber auf überdüngten Böden nur noch ein relativ kleines Wurzelwerk ausbilden und damit  in Dürreperioden vertrocknen, oder so geschwächt leichter "krank" werden oder von Stürmen umgerissen werden, müssen wir auch auf der Streuobstwiese das ein- oder andere lernen bzw. neu denken. 

Wir sind viele engagierte Freunde von Streuobstwiesen, jede/r von uns denkt mit und macht wertvolle Erfahrungen.     Wir müssen gemeinsam lernen, indem wir Kolleginnen und Kollegen an unseren Erfahrungen und unserem Wissen teilhaben lassen: in Obst- und Gartenbauvereinen, in Streuobstwiesenvereinen, aber auch auf größeren Plattformen. Wir betreten im Klimawandel gemeinsam Neuland und sollten uns auf unserem Weg gegenseitig so gut unterstützen, wie das heute, auch mit Hilfe des Internets, möglich ist. 

Kommen wir auf die in unserer Überschrift gestellte Frage zurück: Wir denken, dass erfolgreicher Streuobstanbau in der Zukunft wohl ein Puzzle aus vielen Teilen ist: wir sind zuversichtlich in günstigen Lagen, mit günstigen Sorten und Unterlagen, mit ausgeklügelter Bewässerung und Nährstoffversorgung in Dürreperioden und guter Baumpflege viele Streuobstwiesen erhalten zu können. 

Wir wollen uns dafür einsetzen, dass das wertvolle Biotop "Streuobstwiese" für die Tierwelt, aber auch für unsere Enkel erhalten bleibt. Es würde uns freuen, wenn Menschen in unserer Gegend auch noch in 20, 30 oder 50 Jahren den Geschmack von leckerem, naturreinen Apfelsaft von unseren Streuobstwiesen genießen können. 

Was meinen Sie / meint ihr dazu?  Wir freuen uns über Rückmeldungen unter: homepagesomo@gmail.com

 

Im Klimawandel voneinander lernen

Auf dem oben beschriebenen Hintergrund wäre wirklich super, wenn so viele Bewirtschafter wie möglich den "Klimafragebogen zum Abfragen der Erfahrungen von Bewirtschaftern in Bezug auf den Klimawandel und Streuobst" (Link unten) ausfüllen und an Herrn Fleckenstein zurücksenden. Da auch einige Pomologen beim Januarstammtisch anwesend waren, wäre es toll, wenn wir auch ihre Rückmeldung zu unterschiedlichen Sorten bekommen könnten. Herr Fleckenstein hofft auf viel Feedback und bedankt sich vorab für das Zurücksenden der Fragebögen.